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Text Phantasos kopieren und einsetzen
Text Phantasos kopieren und einsetzen
Phantasos
Schwarze Nächte tragen schwarze Mäntel. Schwarze Mäntel hüten dunkle
Geheimnisse. Wenn aber inmitten all der Schwärze und Verborgenheit ein
leuchtend roter Punkt auftaucht, dann hat Phantasos die Finger im Spiel,
dann öffnet er Augen, die schlafen. So auch in dieser Nacht.
Über der goldenen Stadt Aurum wölbte sich das schwarze Dach der Erde.
Die Dunkelheit hüllte Aron in ihren geheimnisvollen Mantel und zog ihn weit
ab der Wirklichkeit in eine Welt der Magie, denn die Nacht ist die Mutter der
Träume. Der Verstand des Prinzen schlief, doch das Tor zur Fantasie stand weit
geöffnet.
Ein prächtiges Ross, das sich vor einem strahlend weißen Licht aufbäumte,
tauchte im Kopf des Prinzen auf. Der Reiter, der auf den geheimnisvollen
Namen Phantasos hörte, schmiegte sich eng an den Hals des Tieres und
flüsterte ihm ein beruhigendes: „Quietus“, ins Ohr. Auf der Stelle krachten die
Vorderhufe des Pferdes herab und lösten im meerblauen Labyrinth
majestätischer Gehirnwindungen kleine Explosionen aus. Arons Schlaf war
erschüttert. Er sah dem Traumgott mitten in das zweigeteilte Gesicht. „War es
einmal zerbrochen und dann wieder zusammengesetzt worden?“, fragte sich
der träumende Prinz, bevor er aufmerksam das Phantombild betrachtete. Die
linke Gesichtshälfte schien aus Wasser und schimmerte in den Farben Türkis
und Blau, schäumende Meereswellen flossen vom Kopf steil nach hinten und
ersetzten die Haare. Der rechte Teil seines Gesichtes bröselte sich in erdigen
Sandtönen von der Stirn bis zum Kinn. Äste an denen zarte Blättchen sprossen
entsprangen seinem Kopf und bildeten mit den Meerwellen ein Dreieck. An
der Spitze wuchsen die Elemente aus Erde und Wasser auf eine so bizarre
Weise zusammen, dass sie dem Traumgott unwillkürlich ein wirres Aussehen
verliehen. An der Stelle des Kinns drehte sich ein Globus. Um seinen Hals
wucherten feuerrote Mohnblüten, denn der Mohn ist ein Fantast. Er beflügelt
die Träume. Erstaunt betrachtete Aron das prächtige Fabelwesen, dessen
Körper vollständig in einen leuchtend roten Mantel gehüllt war. Er reichte bis
zu den Knöcheln und ließ darunter die nackten Füße in den Steigbügeln
hervorlugen. Ein wertvoller Siegelring aus Jade, der die Verschmelzung von
Wirklichkeit und Fantasie darstellte, steckte am mittleren Zeh des rechten
Fußes. Aron ließ sich von der unwirklichen Gestalt des Traumgottes
verzaubern. Doch das Beste an ihm, so fand der Prinz, war der purpurrote
Mantel, der voller Magie steckte. Kleine Feuer flammten nacheinander in ihm
auf und vergingen, Sternschnuppen zerplatzten, Papageien zogen friedlich
an prügelnden Monstern vorbei, ein Seeungeheuer war hinter einem Schiff
her, Sturm verwüstete die Welt, Flüsse husteten den Dreck der Menschen ans
Ufer, ein Grashalm verfolgte einen Mann, dem vor Angst die Beine versagten,
Menschen standen in den Öffnungen der Fenster, sprangen heraus und
begannen zu fliegen, ein Kind wurde von einem bissigen Hund gejagt, an
einer üppigen Tafel speisten Fabeltiere, ein Bauer vertrieb ein armes Mütterlein
ohne ihm etwas gegen den Hunger und den Durst zu geben, Kinder mit
Flügeln auf dem Rücken zogen von Haus zu Haus und baten um etwas Liebe,
doch steinerne Herzen verscheuchten sie, einmal regnete es Pech und
Schwefel, dann wieder Perlen und Edelsteine, so ging das endlos weiter. Aron
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konnte sich nicht satt genug sehen. Die Bilder hasteten durch den Mantel und
hatten es sehr eilig, denn sie wollten die Menschen noch vor dem Erwachen
erreichen. Dem Traumgott fiel es leicht die Fantasie zu beflügeln. Plötzlich
zerstreute Phantasos die Traumbilder, bis nur noch die Wolken am Himmel
durch das Purpurgewand segelten. Dann zog er die Aufmerksamkeit des
Prinzen auf einen magischen Gegenstand, indem er ihm einen von goldenem
Glanz überzogenen Zauberspiegel entgegen hielt: „Dies wird dein Schicksal
sein, denn die undurchsichtigen Pläne des Unausweichlichen werden in der
Nacht geboren“, sprach das Trugbild nicht ohne Pathos. Was mag er wohl mit
Schicksal meinen, fragte sich das traumtrunkene Herz des Prinzen. Als hätte
Phantasos die Sprache des Herzens verstanden, fügte er hinzu: „Schicksal ist
der Teil unserer Zukunft, den wir nicht ändern können.“ Neugierig erwartete
Prinz Aron, das Mysterium seines Lebens zu ergründen, doch enttäuscht
wandte er sich ab, denn er sah nichts Ungewöhnliches. Nur sein eigenes
Spiegelbild starrte ihm neugierig entgegen. Im Spiegel erkannte er sich selbst
auf einem Pferd sitzend, die Zügel fest in der Hand. „Wie belanglos. Ich werde
reiten lernen“, lautete seine geringschätzige Deutung. Der Prinz wälzte sich
unruhig im Schlaf. Geschickt verstaute der Magier den Zauberspiegel in
seinem Herzen und eine Vogelschwinge bahnte sich an dieser Stelle ihren
Weg aus seinem Körper, um mit den Wolken weiter zu ziehen. Prinz Aron fühlte
sich betrogen und hörte nur noch das Donnern der Hufe. Dann stürzte er in
das ungewisse Schwarz des Nichts.
Am anderen Morgen konnte Aron sich nicht besinnen, ob er schon wach war
oder noch träumte. Manchmal fantasierte er auch und bildete sich die
merkwürdigsten Dinge ein, so glaubte er ernsthaft, in dem Traummantel
umherzuspazieren, dem er schon längst den Namen Purpur verliehen hatte.
„Mein Purpur“, murmelte er und strich sich über den linken Arm. Die Sache mit
der Fantasterei ließ Aron seit diesem Ereignis über das er grimmig schwieg
nicht mehr los. Tief in seinem Innersten hatte er es in eine Truhe gesperrt. Den
Schlüssel schien er verlegt zu haben, denn niemand kam in dieser
Angelegenheit an ihn heran. Obwohl es früh am Morgen war, schlurfte der
Prinz matt wie ein verwelkendes Blatt über das mit Intarsienarbeiten verzierten
Parkett und musste all seine Energie aufbringen, um nicht aus den
Samtschuhen zu kippen. Es kam ihm so vor, als höre er immer noch die
Explosionen der donnernden Rosshufe aus seinem Traum, denn ihn plagten
grauenvolle Kopfschmerzen.
Mit gespreizten Fingern strich sich Prinz Aron durch die aufgestellten
Haarspitzen, um den dröhnenden Schmerz zu vertreiben. Vergebens. Müde
schleppte er seinen kleinen Körper dem Thronsaal entgegen. Eine drückende
Schwüle machte sich durch die geöffneten Palastfenster schon zu früher
Stunde breit und erhöhte die Spannung in seinem Kopf. Den Purpurtraum
träumte er nicht zum ersten Mal. Das war Aron inzwischen eingefallen.
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Revision as of 14:23, 8 August 2011

Text Phantasos kopieren und einsetzen Phantasos Schwarze Nächte tragen schwarze Mäntel. Schwarze Mäntel hüten dunkle Geheimnisse. Wenn aber inmitten all der Schwärze und Verborgenheit ein leuchtend roter Punkt auftaucht, dann hat Phantasos die Finger im Spiel, dann öffnet er Augen, die schlafen. So auch in dieser Nacht. Über der goldenen Stadt Aurum wölbte sich das schwarze Dach der Erde. Die Dunkelheit hüllte Aron in ihren geheimnisvollen Mantel und zog ihn weit ab der Wirklichkeit in eine Welt der Magie, denn die Nacht ist die Mutter der Träume. Der Verstand des Prinzen schlief, doch das Tor zur Fantasie stand weit geöffnet. Ein prächtiges Ross, das sich vor einem strahlend weißen Licht aufbäumte, tauchte im Kopf des Prinzen auf. Der Reiter, der auf den geheimnisvollen Namen Phantasos hörte, schmiegte sich eng an den Hals des Tieres und flüsterte ihm ein beruhigendes: „Quietus“, ins Ohr. Auf der Stelle krachten die Vorderhufe des Pferdes herab und lösten im meerblauen Labyrinth majestätischer Gehirnwindungen kleine Explosionen aus. Arons Schlaf war erschüttert. Er sah dem Traumgott mitten in das zweigeteilte Gesicht. „War es einmal zerbrochen und dann wieder zusammengesetzt worden?“, fragte sich der träumende Prinz, bevor er aufmerksam das Phantombild betrachtete. Die linke Gesichtshälfte schien aus Wasser und schimmerte in den Farben Türkis und Blau, schäumende Meereswellen flossen vom Kopf steil nach hinten und ersetzten die Haare. Der rechte Teil seines Gesichtes bröselte sich in erdigen Sandtönen von der Stirn bis zum Kinn. Äste an denen zarte Blättchen sprossen entsprangen seinem Kopf und bildeten mit den Meerwellen ein Dreieck. An der Spitze wuchsen die Elemente aus Erde und Wasser auf eine so bizarre Weise zusammen, dass sie dem Traumgott unwillkürlich ein wirres Aussehen verliehen. An der Stelle des Kinns drehte sich ein Globus. Um seinen Hals wucherten feuerrote Mohnblüten, denn der Mohn ist ein Fantast. Er beflügelt die Träume. Erstaunt betrachtete Aron das prächtige Fabelwesen, dessen Körper vollständig in einen leuchtend roten Mantel gehüllt war. Er reichte bis zu den Knöcheln und ließ darunter die nackten Füße in den Steigbügeln hervorlugen. Ein wertvoller Siegelring aus Jade, der die Verschmelzung von Wirklichkeit und Fantasie darstellte, steckte am mittleren Zeh des rechten Fußes. Aron ließ sich von der unwirklichen Gestalt des Traumgottes verzaubern. Doch das Beste an ihm, so fand der Prinz, war der purpurrote Mantel, der voller Magie steckte. Kleine Feuer flammten nacheinander in ihm auf und vergingen, Sternschnuppen zerplatzten, Papageien zogen friedlich an prügelnden Monstern vorbei, ein Seeungeheuer war hinter einem Schiff her, Sturm verwüstete die Welt, Flüsse husteten den Dreck der Menschen ans Ufer, ein Grashalm verfolgte einen Mann, dem vor Angst die Beine versagten, Menschen standen in den Öffnungen der Fenster, sprangen heraus und begannen zu fliegen, ein Kind wurde von einem bissigen Hund gejagt, an einer üppigen Tafel speisten Fabeltiere, ein Bauer vertrieb ein armes Mütterlein ohne ihm etwas gegen den Hunger und den Durst zu geben, Kinder mit Flügeln auf dem Rücken zogen von Haus zu Haus und baten um etwas Liebe, doch steinerne Herzen verscheuchten sie, einmal regnete es Pech und Schwefel, dann wieder Perlen und Edelsteine, so ging das endlos weiter. Aron 4 konnte sich nicht satt genug sehen. Die Bilder hasteten durch den Mantel und hatten es sehr eilig, denn sie wollten die Menschen noch vor dem Erwachen erreichen. Dem Traumgott fiel es leicht die Fantasie zu beflügeln. Plötzlich zerstreute Phantasos die Traumbilder, bis nur noch die Wolken am Himmel durch das Purpurgewand segelten. Dann zog er die Aufmerksamkeit des Prinzen auf einen magischen Gegenstand, indem er ihm einen von goldenem Glanz überzogenen Zauberspiegel entgegen hielt: „Dies wird dein Schicksal sein, denn die undurchsichtigen Pläne des Unausweichlichen werden in der Nacht geboren“, sprach das Trugbild nicht ohne Pathos. Was mag er wohl mit Schicksal meinen, fragte sich das traumtrunkene Herz des Prinzen. Als hätte Phantasos die Sprache des Herzens verstanden, fügte er hinzu: „Schicksal ist der Teil unserer Zukunft, den wir nicht ändern können.“ Neugierig erwartete Prinz Aron, das Mysterium seines Lebens zu ergründen, doch enttäuscht wandte er sich ab, denn er sah nichts Ungewöhnliches. Nur sein eigenes Spiegelbild starrte ihm neugierig entgegen. Im Spiegel erkannte er sich selbst auf einem Pferd sitzend, die Zügel fest in der Hand. „Wie belanglos. Ich werde reiten lernen“, lautete seine geringschätzige Deutung. Der Prinz wälzte sich unruhig im Schlaf. Geschickt verstaute der Magier den Zauberspiegel in seinem Herzen und eine Vogelschwinge bahnte sich an dieser Stelle ihren Weg aus seinem Körper, um mit den Wolken weiter zu ziehen. Prinz Aron fühlte sich betrogen und hörte nur noch das Donnern der Hufe. Dann stürzte er in das ungewisse Schwarz des Nichts. Am anderen Morgen konnte Aron sich nicht besinnen, ob er schon wach war oder noch träumte. Manchmal fantasierte er auch und bildete sich die merkwürdigsten Dinge ein, so glaubte er ernsthaft, in dem Traummantel umherzuspazieren, dem er schon längst den Namen Purpur verliehen hatte. „Mein Purpur“, murmelte er und strich sich über den linken Arm. Die Sache mit der Fantasterei ließ Aron seit diesem Ereignis über das er grimmig schwieg nicht mehr los. Tief in seinem Innersten hatte er es in eine Truhe gesperrt. Den Schlüssel schien er verlegt zu haben, denn niemand kam in dieser Angelegenheit an ihn heran. Obwohl es früh am Morgen war, schlurfte der Prinz matt wie ein verwelkendes Blatt über das mit Intarsienarbeiten verzierten Parkett und musste all seine Energie aufbringen, um nicht aus den Samtschuhen zu kippen. Es kam ihm so vor, als höre er immer noch die Explosionen der donnernden Rosshufe aus seinem Traum, denn ihn plagten grauenvolle Kopfschmerzen. Mit gespreizten Fingern strich sich Prinz Aron durch die aufgestellten Haarspitzen, um den dröhnenden Schmerz zu vertreiben. Vergebens. Müde schleppte er seinen kleinen Körper dem Thronsaal entgegen. Eine drückende Schwüle machte sich durch die geöffneten Palastfenster schon zu früher Stunde breit und erhöhte die Spannung in seinem Kopf. Den Purpurtraum träumte er nicht zum ersten Mal. Das war Aron inzwischen eingefallen. 5