EinsteinWiki/Phantasos

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Text Phantasos kopieren und einsetzen Phantasos Schwarze Nächte tragen schwarze Mäntel. Schwarze Mäntel hüten dunkle Geheimnisse. Wenn aber inmitten all der Schwärze und Verborgenheit ein leuchtend roter Punkt auftaucht, dann hat Phantasos die Finger im Spiel, dann öffnet er Augen, die schlafen. So auch in dieser Nacht. Über der goldenen Stadt Aurum wölbte sich das schwarze Dach der Erde. Die Dunkelheit hüllte Aron in ihren geheimnisvollen Mantel und zog ihn weit ab der Wirklichkeit in eine Welt der Magie, denn die Nacht ist die Mutter der Träume. Der Verstand des Prinzen schlief, doch das Tor zur Fantasie stand weit geöffnet. Ein prächtiges Ross, das sich vor einem strahlend weißen Licht aufbäumte, tauchte im Kopf des Prinzen auf. Der Reiter, der auf den geheimnisvollen Namen Phantasos hörte, schmiegte sich eng an den Hals des Tieres und flüsterte ihm ein beruhigendes: „Quietus“, ins Ohr. Auf der Stelle krachten die Vorderhufe des Pferdes herab und lösten im meerblauen Labyrinth majestätischer Gehirnwindungen kleine Explosionen aus. Arons Schlaf war erschüttert. Er sah dem Traumgott mitten in das zweigeteilte Gesicht. „War es einmal zerbrochen und dann wieder zusammengesetzt worden?“, fragte sich der träumende Prinz, bevor er aufmerksam das Phantombild betrachtete. Die linke Gesichtshälfte schien aus Wasser und schimmerte in den Farben Türkis und Blau, schäumende Meereswellen flossen vom Kopf steil nach hinten und ersetzten die Haare. Der rechte Teil seines Gesichtes bröselte sich in erdigen Sandtönen von der Stirn bis zum Kinn. Äste an denen zarte Blättchen sprossen entsprangen seinem Kopf und bildeten mit den Meerwellen ein Dreieck. An der Spitze wuchsen die Elemente aus Erde und Wasser auf eine so bizarre Weise zusammen, dass sie dem Traumgott unwillkürlich ein wirres Aussehen verliehen. An der Stelle des Kinns drehte sich ein Globus. Um seinen Hals wucherten feuerrote Mohnblüten, denn der Mohn ist ein Fantast. Er beflügelt die Träume. Erstaunt betrachtete Aron das prächtige Fabelwesen, dessen Körper vollständig in einen leuchtend roten Mantel gehüllt war. Er reichte bis zu den Knöcheln und ließ darunter die nackten Füße in den Steigbügeln hervorlugen. Ein wertvoller Siegelring aus Jade, der die Verschmelzung von Wirklichkeit und Fantasie darstellte, steckte am mittleren Zeh des rechten Fußes. Aron ließ sich von der unwirklichen Gestalt des Traumgottes verzaubern. Doch das Beste an ihm, so fand der Prinz, war der purpurrote Mantel, der voller Magie steckte. Kleine Feuer flammten nacheinander in ihm auf und vergingen, Sternschnuppen zerplatzten, Papageien zogen friedlich an prügelnden Monstern vorbei, ein Seeungeheuer war hinter einem Schiff her, Sturm verwüstete die Welt, Flüsse husteten den Dreck der Menschen ans Ufer, ein Grashalm verfolgte einen Mann, dem vor Angst die Beine versagten, Menschen standen in den Öffnungen der Fenster, sprangen heraus und begannen zu fliegen, ein Kind wurde von einem bissigen Hund gejagt, an einer üppigen Tafel speisten Fabeltiere, ein Bauer vertrieb ein armes Mütterlein ohne ihm etwas gegen den Hunger und den Durst zu geben, Kinder mit Flügeln auf dem Rücken zogen von Haus zu Haus und baten um etwas Liebe, doch steinerne Herzen verscheuchten sie, einmal regnete es Pech und Schwefel, dann wieder Perlen und Edelsteine, so ging das endlos weiter. Aron 4 konnte sich nicht satt genug sehen. Die Bilder hasteten durch den Mantel und hatten es sehr eilig, denn sie wollten die Menschen noch vor dem Erwachen erreichen. Dem Traumgott fiel es leicht die Fantasie zu beflügeln. Plötzlich zerstreute Phantasos die Traumbilder, bis nur noch die Wolken am Himmel durch das Purpurgewand segelten. Dann zog er die Aufmerksamkeit des Prinzen auf einen magischen Gegenstand, indem er ihm einen von goldenem Glanz überzogenen Zauberspiegel entgegen hielt: „Dies wird dein Schicksal sein, denn die undurchsichtigen Pläne des Unausweichlichen werden in der Nacht geboren“, sprach das Trugbild nicht ohne Pathos. Was mag er wohl mit Schicksal meinen, fragte sich das traumtrunkene Herz des Prinzen. Als hätte Phantasos die Sprache des Herzens verstanden, fügte er hinzu: „Schicksal ist der Teil unserer Zukunft, den wir nicht ändern können.“ Neugierig erwartete Prinz Aron, das Mysterium seines Lebens zu ergründen, doch enttäuscht wandte er sich ab, denn er sah nichts Ungewöhnliches. Nur sein eigenes Spiegelbild starrte ihm neugierig entgegen. Im Spiegel erkannte er sich selbst auf einem Pferd sitzend, die Zügel fest in der Hand. „Wie belanglos. Ich werde reiten lernen“, lautete seine geringschätzige Deutung. Der Prinz wälzte sich unruhig im Schlaf. Geschickt verstaute der Magier den Zauberspiegel in seinem Herzen und eine Vogelschwinge bahnte sich an dieser Stelle ihren Weg aus seinem Körper, um mit den Wolken weiter zu ziehen. Prinz Aron fühlte sich betrogen und hörte nur noch das Donnern der Hufe. Dann stürzte er in das ungewisse Schwarz des Nichts. Am anderen Morgen konnte Aron sich nicht besinnen, ob er schon wach war oder noch träumte. Manchmal fantasierte er auch und bildete sich die merkwürdigsten Dinge ein, so glaubte er ernsthaft, in dem Traummantel umherzuspazieren, dem er schon längst den Namen Purpur verliehen hatte. „Mein Purpur“, murmelte er und strich sich über den linken Arm. Die Sache mit der Fantasterei ließ Aron seit diesem Ereignis über das er grimmig schwieg nicht mehr los. Tief in seinem Innersten hatte er es in eine Truhe gesperrt. Den Schlüssel schien er verlegt zu haben, denn niemand kam in dieser Angelegenheit an ihn heran. Obwohl es früh am Morgen war, schlurfte der Prinz matt wie ein verwelkendes Blatt über das mit Intarsienarbeiten verzierten Parkett und musste all seine Energie aufbringen, um nicht aus den Samtschuhen zu kippen. Es kam ihm so vor, als höre er immer noch die Explosionen der donnernden Rosshufe aus seinem Traum, denn ihn plagten grauenvolle Kopfschmerzen. Mit gespreizten Fingern strich sich Prinz Aron durch die aufgestellten Haarspitzen, um den dröhnenden Schmerz zu vertreiben. Vergebens. Müde schleppte er seinen kleinen Körper dem Thronsaal entgegen. Eine drückende Schwüle machte sich durch die geöffneten Palastfenster schon zu früher Stunde breit und erhöhte die Spannung in seinem Kopf. Den Purpurtraum träumte er nicht zum ersten Mal. Das war Aron inzwischen eingefallen. 5